2.n.Epiphanias  16.1.1999   Prackenfels       

 

EG 69,1-4           Der Morgenstern

EG 776               Psalm 100

EG 398,1-2        In dir ist Freude

EG 351,1,2,7,8  Ist Gott für mich

 

Joh 2,1-11

2.Mose 33,12-23

 

Du, unser Gott,

der du uns erwählt hast in Jesus Christus und durch sein Wort berufst zu Zeugen deiner Herrlichkeit, wir bitten dich, wirke in uns durch deinen Geist, der unserer Schwachheit aufhilft, dass uns deine Nähe heilsam begegnet durch unsern Herrn und Bruder ...

 

Gott,

du kennst uns mit Namen und sprichst uns deine Gnade zu in Jesus Christus. Wir bitten dich für dein Volk unter uns und in aller Welt. Lass deine Kirche deine Gegenwart erfahren und bezeugen. Wir bitten dich für die Völker und Staaten, alle, die Gewalt erleiden und die Macht ausüben. Schaffe du Gerechtigkeit und Frieden. Gib allen Menschen, was sie brauchen, Brot und Arbeit, Heimat und Anerkennung. Bewahre deine Schöpfung vor Ausbeutung und Zerstörung, dass sie auch denen Heimat bleiben kann, die nach uns kommen. Besuche die Einsamen und Kranken, geleite die Sterbenden, tröste die Trauernden. Dein Erbarmen und deine Gnade geleite uns durch die Tage, die du uns schenkst. Amen

 

Wir sind zusammen gekommen, um miteinander Gottesdienst zu feiern. Gott, auf den wir unser Herz richten wollen, kennt uns besser als wir uns selbst kennen. Wir bitten ihn, dass er uns vergebe, was uns von ihm und untereinander trennt. Der allmächtige Gott ...

 

Liebe Gemeinde,

 

„du hast Gnade gefunden vor meinen Augen und ich kenne dich mit Namen.“ Was Mose da Gott selbst vor hält – es gilt jeder, es gilt jedem unter uns: Denn das ist sein Name, Gottes Name, dass er gewiss dabei ist. „Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wes’ ich mich erbarme, des’ erbarme ich mich.“ So gilt das. Und wer es ganz genau und ganz persönlich wissen will, der nimmt das Brot und isst es, und trinkt aus dem Kelch, den ihm die Schwester, der Bruder reicht. „Du hast Gnade gefunden vor meinen Augen, und ich kenne dich mit Namen“: So der Zuspruch an jeden von uns. Aber doch auch der Zuspruch an uns alle miteinander. Zu Mose gehört das Volk – und damit geraten wir gleich in die Fragwürdigkeit hinein, die uns in dieser Gemeinsamkeit anhängt. Es ist ja ein weit ausgespannter Erzählbogen, in dem unser Textabschnitt seinen Ort hat. Ich kann nur eben daran erinnern: Am Sinai ist das Gottesvolk angekommen bei seinen Zug aus Ägypten in das verheißene Land. Gottes Nähe hat sie verschreckt – darum soll Mose diese Nähe allein aushalten. Aber als er dann nicht zurück kommt vom Gottesberg, da fehlt ihnen dieser Gott doch, und Aaron, der Religionsdiener, der Fachmann, soll Abhilfe schaffen, und tut das auch. Und dann kommt Mose zurück, und muss Gottes Zorn besänftigen, und den eigenen Zorn zurück halten. Und kann doch nicht anders: Mit seinen Levitenbrüdern muss er ein Massaker veranstalten unter den Abtrünnigen. Und Gott? Kann er, will er denn bei diesen Leuten bleiben, bei seinen Erwählten, bei seiner Kirche – diesen Leuten, diesen Erwählten, dieser Kirche? Wie kann er das tun? Wie will er das tun? Darum geht es hier. Sicher, Mose hat den Zuspruch Gottes – von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinen Freund redet, so habe der Herr im Begegnungszelt mit ihm gesprochen, heißt es hier.

Aber dabei kann es doch nicht bleiben. Ein Gottesverhältnis, das bloß im Herzen, bloß in der Innerlichkeit dieses einen Mose bliebe – nichts wäre das. Gott ist bei seinen Erwählten, bei diesen Leuten, bei seiner Kirche: Nur so kann das sein, wenn es denn wirklich Gottes Gegenwart ist. Und die will Mose auch zeigen! Ich habe da ein paar Verse zu der vorgeschlagenen Perikope mit dazu genommen, damit wir nicht daneben zielen mit unserem Verstehen und uns womöglich an das Stichwort „Herrlichkeit“ halten, das uns vom Evangeliums dieses Sonntags als Verstehenshilfe angereicht wird. Bei der Hochzeit in Kana, da tut Jesus sein erstes Zeichen und offenbarte seine Herrlichkeit. Und nun also Mose, der Gottes Herrlichkeit sehen möchte. Wie, so frage ich also, wie kommt es heraus, wie lässt sich das zeigen, dass Gott bei seine Erwählten ist, bei uns, bei seiner Kirche? „Woran soll erkannt werden, dass ich und dein Volk vor dienen Augen Gnade gefunden habe, wenn nicht daran, dass du mit uns gehst, so dass ich und dein Volk erhoben werden vor allen Völkern, die auf dem Erdboden sind?“ Gott sagt es dem Mose zu: „Auch das will ich tun. Den du hast Gnade gefunden vor meinen Augen, und ich kenne dich mit Namen.“ Aber das ist es ja gerade – lässt sich denn mit diesen Leuten, mit dieser Kirche da Staat machen? Ich will uns da gewiss nicht ausnehmen: Dass es Gott ist, der bei uns ist, der mit uns geht, das einfach so hinzu zu fügen, das kann nicht gut gehen. Wir erhoben vor allen Völkern – weil Gott eben mit uns ist? Womöglich wir die, die doch recht haben – all den anderen Gruppierungen dieser Kirche gegenüber, von den Bekenntnisfundamentalisten bis hin zu den Vertreterinnen und Vertretern eine Wohlfühlkirche, die es nur allen und damit doch niemand recht machen kann?

Auf die Leute zeigen, um sich der Erwählung zu vergewissern – auf die Leute zeigen, wo doch danach gefragt ist, wie Gott hier mit dabei ist – das geht anscheinend nicht. Darum will es der Mose auch anders haben. Diesen Gott, der dabei ist, den kann man ja nicht sich gegenüber stellen, wie das Aaron mit dem Kalb gemacht hat: Sozusagen ein Stück Welt, das die Nähe Gottes verkörpert. Sicher, die Leute damals sind darauf abgefahren, haben des Herrn Fest gefeiert, haben sich gut gefühlt – wenigstens fürs Erste. Aber dass das so nicht geht, das weiß man (Viagra – Andacht?). Gott ist ja nicht Welt. Darum also diese Bitte: Lass mich deine Herrlichkeit sehen. Das ist ja die Frage nach der Eindeutigkeit, nach einer untrüglichen Gewissheit, nach einer Erfahrung, die das untrüglich vergewissern kann, dass Gott dabei ist. Mit dem zeigen, mit dem Vorführen Gottes ist es nichts. Aber sehen?

Und da ist dann die Antwort: „Mein Angesicht kann man nicht sehen!“ Gott sozusagen für sich, nicht in jener Zweideutigkeit, in der ich auf die Leute zeigen muss und sagen: Da ist Gott dabei. Und was nehme ich da wahr? Doch nur zum Dreinschlagen ist das (aber wir sind nicht die Leviten mit ihren Wörtlein – trotz Vater Steinbauer). Hinterdrein schauen – das allein ginge. Luther hat in seiner Heidelberger Disputation 1518 eine Auslegung unseres Textes gegeben: „Nicht der heißt zurecht Theologe, der Gottes Wesen aus dem, was geschaffen ist, begriffen, erblickt, sondern der das, was man von Gott sehen kann, seine Rückseite – die visibilia et posteriora die schreibt Luther in seinen Thesen – im Leiden und Kreuz erblickt, begreift.“ In seiner Herrlichkeit lässt sich Gott nicht zeigen. Da lässt er sich nicht einmal sehen. Das lernt Mose. Was sich zeigen und also sehen lässt von Gott, seine visibilia und posteriora, das lässt sich in Leiden und Kreuz finden.

Was Luther da als Verstehenshinweis zu unserem Text bringt, das ließe sich nun sicher zuerst und vor allem christologisch durchführen und ausführen, an der Geschichte Jesu Christi: Aber dabei kann und soll es nicht bleiben. Ich weiß wohl, dass da dann auch wieder die Gefahr ist, dass wir nun unsere kleinen und großen Schwierigkeiten, Probleme, Kalamitäten, unsere Misserfolge, und die Schmerzen, die sie machen, zusammen suchen: Da also, da ließe sich die Gewissheit fest machen, dass Gott bei uns ist. Da hätten wir die Erfahrung, dass das stimmt: „Du hast Gnade gefunden vor meinen Augen und ich kenne dich mit Namen.“ So eine Art umgedrehte Leistungsbilanz mit umgekehrten Vorzeichen wäre das. Aber auch damit kommen wir nicht dazu, vorzuführen, bei uns ist Gott dabei.

Nein! Was mir bleibt, indem ich es euch sage, wie ich es mir gesagt sein lasse, ist eben dies: „Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wes’ ich mich erbarme, des’ erbarme ich mich.“ Das gilt uns, dir, mir.

Weil das so ist, darum kann ich es dann nehmen, wie es kommt. Mit dem alten Ambrosius Blaurer gesprochen: „Wie’s Gott gefällt, gefällt mir’s auch, ich lass mich gar nicht irren. Ob mich bisweilen beiße der Rauch und wenn sich schon verwirren all Sachen gar, weiß ich fürwahr, Gott richt’s an seinem Tage; wie er’s will han, muss es bestahn. Soll’s sein, so sei’s – ohn Klage.“ Vielleicht sehen ja wirklich die Augen, die der Rauch so gebissen hat, dass sie voll Tränen sind, am deutlichsten, was wir alle sehen wollten. Amen